- deutscher Michel
- deutscher Mịchel,allegorische Darstellung des Deutschen, v. a. in der Karikatur (ähnlich der französischen Marianne, dem amerikanischen Uncle Sam und dem englischen John Bull); gilt als Personifizierung der Verkehrtheiten und Unzulänglichkeiten der deutschen Nation. Meist wird der deutsche Michel in Bauernkleidung und mit Zipfelmütze dargestellt, scherzhaft als schwerfälliger, ungeschickter, langsam denkender und handelnder, etwas verschlafener, aber doch offener, ehrlicher, einfacher Mensch charakterisiert. Der deutsche Michel wird zuerst bei Sebastian Franck in dessen Sprichwörtersammlung von 1541 erwähnt; aus dem 16. Jahrhundert sind weitere Belege bekannt; auch im 17. und 18. Jahrhundert wird der Ausdruck in der Literatur häufig in der Bedeutung »ungelehrter Mann«, »Bauer« gebraucht. Der Name deutscher Michel muss in Zusammenhang mit dem Erzengel Michael, dem Schutzheiligen der Deutschen (Bild des heiligen Michael im deutschen Reichsbanner), gesehen werden, dessen Name im Bauernstand sehr verbreitet war, wenn auch die Eigenschaften des Heiligen (Tapferkeit, Edelmut, Stärke) dem Bild des deutschen Michel konträr gegenüberstehen. Die Behauptung, die Bezeichnung deutscher Michel rühre von der Michaelsverehrung in Deutschland her, ist jedoch umstritten, finden sich doch bei anderen Nationen (etwa in Frankreich) vergleichbare oder stärkere Formen der Verehrung des heiligen Michael, ohne dass es zu einer ähnlichen Namensbildung gekommen ist. Wenn auch die Bezeichnung deutscher Michel meist abfällig gebraucht wird, so lassen sich seit dem 17. Jahrhundert auch Belege anführen, in denen mit der Figur Stellung genommen wird gegen das Überhandnehmen von Fremdem, etwa von Fremdwörtern in der deutschen Sprache; deutscher Michel wird hier zur Kennzeichnung des redlichen, aufrechten Deutschen. Zweifellos nicht der erste deutsche Michel, wie häufig behauptet worden ist, war der aus Stromberg im Hunsrück stammende Reitergeneral Hans Michael Elias Obentraut (* 1574, ✝ 1625), der im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) von seinem spanischen Gegner den Namen »Aleman Miguel« (auch im Spanischen meint Miguel einen Tölpel) erhalten haben soll. - Nach 1840 war der deutsche Michel beliebter Gegenstand für politische Zeitgedichte; seine Bedeutung als Figur in politischer Karikatur hat sich bis heute erhalten.A. Hauffen: Gesch. des d. M. (Prag 1918);E. Boehlich: Joh. Mich. Elias Obentraut. Zur Gesch. u. Legende des D. M., in: Bausteine, Festschr. f. Max Koch, hg. v. E. Boehlich u. H. Heckel (1926);K. Meisen: Michael in der volkstüml. Verehrung des Abendlandes, in: Rhein. Jb. für Volkskunde, Jg. 14 (1963).
Universal-Lexikon. 2012.